KA36: Macht

Nach den Themenschwerpunkten »Jugend« und »Fantasie« widmen wir uns dem Thema »Macht«. Macht entsteht durch Autorität, man kann Macht über jemanden oder etwas haben oder die Macht haben, etwas zu tun. Macht existiert in allen Formen des menschlichen Zusammenlebens und wird auch häufig zu einem Thema in literarischen Werken.

In dystopischer Literatur spielt Macht eine übergeordnete Rolle, da dort häufig diktatorische Herrschaftsformen thematisiert werden und den Individuen jegliche Freiheit genommen wird. In Corpus Delicti nimmt Juli Zeh das Rechtssystem METHODE als Grundlage. Der Bürger dieses Staats wird durch totale Überwachung psychisch unterdrückt.

Wie mächtig kann Literatur sein? Literatur kann Macht ausüben, indem ein Werk eine nachhaltige öffentliche Wirkung entfaltet und die Gesellschaft verändert. Doch wie kann Literatur eine solch kollektive Macht überhaupt entfalten und das Bewusstsein ganzer Generationen prägen? Ein Beispiel dafür ist Alexander Issajewitsch Solschenizyns Werk Archipel Gulag, was zu den einflussreichsten Werken des 20. Jahrhunderts gezählt wird. Auch in früheren Epochen lassen sich hierfür schon Beispiele finden. Allerdings kann auch Macht über die Literatur ausgeübt werden, durch Zensur oder Verbot von Werken.

Wie kann Macht durch Sprache ausgeführt werden? Dies lässt sich auf die aktuelle Diskussion um das Gedicht avenidas von Eugen Gomringer beziehen. Das Gedicht auf der Fassade der Alice-Salomon Hochschule Berlin löste Debatten aufgrund der sexistischen Sprache aus. Hat das Gedicht die Macht, Geschlechterstereotype zu reproduzieren? Und ist es Zensur, es von der Wand entfernen zu lassen?

Anhand der vielfältigen Erscheinungsformen von Macht und Literatur lassen sich – auch unter der Berücksichtigung anderer Disziplinen – folgende Fragen ableiten: Lässt sich Macht durch Sprache ausüben? Ist Macht immer nur negativ? Welche Stimme bekommen Unterdrückte in der Literatur? Was ändert die Zensur eines Werks an seiner Rezeption? Antworten auf diese oder ähnliche Fragen erörtert und diskutiert die Kritische Ausgabe in diesem Heft.

Inhalt

Thema

Markus Müller

5Das Verhältnis von Macht und Literatur

am Beispiel der nationalsozialistischen Kulturpolitik

Roméo Romaric Kolegbe

11Machtkommunikation

in »Der Ackermann« des Johannes von Tepl

Alina Sabransky

18»Einerseits Frau – Andererseits Schreiben«

Dr. Karina Becker

24Antikenrezeption in der DDR

Symptome von Machtstrukturen

Andreas Rizzi

31Macht und figurative Verortung

in Heinrich von Kleists Prinz Friedrich von Homburg

Katrin Frisch und Katharina Fürholzer

36Zu Risiken und Nebenwirkungen ...

Literatur zwischen Instrumentalisierung und Indexierung

Anna Bers

43Deutungsmacht vs. Definitionsmacht

Eugen Gomringers avenidas als literaturtheoretische Fallstudie

Interview

Marion Löffler, Georg Spitaler und Sabine Zeiger

49Literatur und Macht

Reflexionen aus der interdisziplinären Forschungspraxis. Ein Emailgespräch.

Forschung

Laura Gemsemer

57Etikettenschwindel in der Wüste

Die Kunst des Wortemachens in Giovanni Boccaccios Decameron

Ida Schneider

64Untranslatable?

Die Rolle der Übersetzung innerhalb einer eurozentrischen Weltliteratur

Olivetta Gentilin

69»Wir müßten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren«

Literarische Gedankenexperimente als Darstellung einer abweichenden Meinungsäußerung am Beispiel der Werke von Georg Büchner

Rezensionen

Hannah Fissenebert

78Hommage an den Visionär Eduard Rosenthal

Dietmar Eberts Gelehrten- und Zeitgemälde eines Jenaer Rechtsgelehrten zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Vincenz Pieper

82Was bleibt von der strukturalistischen Literaturwissenschaft?

Martin Endres u. Leonhard Herrmann (Hg.) (2018): Strukturalismus, heute. Brüche, Spuren, Kontinuitäten. Stuttgart: Metzler.

Literatur

Miriam Spinrath

90Museum König, August 2018

Benjamin Baumann

91Es war still

Johannes Witek

94Erde

Johannes Witek

96Salzburg Flood